Regie: Gabriele Mathes, AT 2012, DCP/HDCAM, Farbe, 30 min
Eine Flaschenpost ist eine ungerichtete Botschaft, die einen Adressaten sucht. Schiffbrüchige vertrauten sie den Wellen des Meeres an, in der Hoffnung, jemand möge die Nachricht von ihrem Unglück noch zu Lebzeiten finden. Mit dem Finden allein war es allerdings nicht getan. Erreicht der Hilferuf den Adressaten doch nur, sofern dieser die Botschaft zu entschlüsseln vermag.
Im Off ein Seufzen, ein Satz: „Oiso die G´schicht … von heit.“ Im Bild: Rauschen. Gleich zu Beginn lässt Gabriele Mathes´ Film Flaschenpost die Absicht erkennen, die Tragfähigkeit des titelgebenden Begriffs auszuloten. Denn die Geschichte von heute, der getreue Bericht der Erzählerin über das jüngst Vergangene, bezieht sich auf ein Ereignis, das 25 Jahre zurückliegt: auf das gewalttätige und zerstörerische Ende einer Beziehung und den darauf folgenden Neuanfang. Spuren des Ereignisses wurden damals, im Herbst 1987, neben anderem – dem Bericht der Historikerkommission über mögliche Kriegsverbrechen des österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim oder den Studentendemonstrationen gegen Sozialabbau – von einer Videokamera festgehalten. In Flaschenpost nun macht Gabriele Mathes sich an die Arbeit, die Botschaften, die diese Aufnahmen enthalten, zu entschlüsseln.
Das Resultat ist eine filmische Erzählung von selten gesehener poetischer Kraft und Intensität, die das Private mit dem Politischen, die Erfahrung der Ohnmacht mit der Anstrengung der Selbstbehauptung, die Schönheit und die Liebe mit dem Risiko, das Außergewöhnliche mit dem Beiläufigen und nicht zuletzt die Arbeit mit dem Leben verbindet. Die vergangene Gegenwart veranschaulicht der Film als Zeit, die stets eine andere Gegenwart herbeisehnt. So auch heute: Während das individuelle Schicksal der Erzählerin noch andauert, haben Aktivisten der Occupy-Bewegung 2011 in London ein Zeltlager errichtet.
(Vrääth Öhner)
In Flaschenpost versieht Mathes ihr Bildmaterial – diesmal handelt es sich um Videobänder – mit einer mehrschichtigen Off-Erzählung, verzahnt individuelle Erinnerungen mit kollektiver Erfahrung. Die Ereignisse sind im Herbst 1987 verortet. Zigtausende demonstrieren in Wien gegen Sozialabbau, die Ergebnisse der im Zuge der Waldheim-Affäre eingesetzten Historikerkommission werden erwartet – und die Ich-Erzählerin erlebt das gewalttätige Ende einer Beziehung.
(Isabella Reicher, In: DER STANDARD. 16. April 2013)
Die Geschichte einer Kamera aus 1987, einer Beziehung, die nicht funktionierte und eines Neuanfangs, der daraus resultierte. Auf der Videokassette von damals: Banales, Anti-Waldheimproteste, Studierendendemos … Wie die Schriften einer Flaschenpost haben die Aufnahmen im Schutz der Kamera ins Jetzt überdauert – und mit ihnen der einstige Alltag der Filmemacherin. Ein filmischer Schatz im wahrsten Sinne des Wortes.
(Diagonale Katalog, 2012)
Vertrieb: Sixpackfilm